Einblicke

Atomic Branding: Von der Idee zur starken Marke

Geschrieben von Sebastian Tretbar | 7. September 2021

Egal ob neues Produkt, neuer Markt oder Neugründung – der unternehmerische Erfolg hängt längst nicht mehr nur von guten Features oder dem richtigen Team ab. In einem maximal transparenten, globalen Marktumfeld von immer ähnlicher werdenden Angeboten macht die Marke den Unterschied. Um auch künftig erfolgreich zu sein, brauchen Marken eine klare, konsistente Identität, die für die Zielgruppen relevant ist und sich im Markt differenziert. Der Schlüssel dafür lautet Atomic Branding. Als Nukleus und Ausgangspunkt beim Atomic Branding steht eine starke Markenidee: Sie bildet als »Leitplanke« einen medienneutralen genetischen Code der Marke, der weltweit einen konsistenten Auftritt garantiert und sich beliebig skalieren lässt – in Design, Kommunikation und auf allen Touchpoints.

Atomic Branding versus Atomic Design

Aber halt: Nur weil der Begriff »Atomic« drin vorkommt, ist unser Ansatz nicht mit Atomic Design zu verwechseln. Eine kurze Begriffsklärung:

Atomic Design ist ein Konzept aus dem UX/UI-Kosmos (entwickelt vom amerikanischen Webdesigner Brad Frost), um schnell und verifizierbar digitale Module und Applikationen zu entwickeln. Atomic Design zerlegt Webprojekte in ihre kleinsten Bausteine um diese anschließend in komplexen Einheiten zu kombinieren. Dabei gibt es die fünf aufeinander aufbauenden Elemente Atome, Moleküle, Organismen, Vorlagen (Templates) und Seiten. Ein Atom ist dabei das kleinste und nicht mehr teilbare Element einer Webseite. Es kann z.B. ein HTML-Tag, ein Font, eine Headline oder ein Button sein. Moleküle sind Konglomerate aus mehreren Atomen, die gemeinsam eine Aufgabe lösen. Mehrere dieser Moleküle zusammen formen dann einen Organismus. Das kann z.B. ein kompletter Seitenheader sein. Der Vorteil dieser Designmethode: Die verschiedenen (Design-)Elemente sind in einer Library hinterlegt, sie lassen sich mehrfach verwenden und das Webdesign kann einfach modifiziert werden.

Atomic Branding hingegen hat den Anspruch, eine Marke nicht nur formal und systemisch zu betreuen, sondern eine tragende Idee und Positionierung zu schaffen, als Andockmöglichkeit für alle Zielgruppen und Kanäle.

Markenidee, das kleinste unteilbare Zeichen

Was die Marke im Kern zusammenhält ist nichts Formales: Kein Logo, keine Schrift und auch keine Farbkombination. Es ist das Atom der Markenidee, die davor ansetzt und auch bei textgetriebener (Marken)-Kommunikation funktioniert. Einen attraktiven Leitgedanken kann man auch auf einem Twitter-Account spielen.

Die Markenidee ist der Ausgangspunkt, der Grundbaustein für eine starke Marke, aus der alles abgeleitet werden kann. Sie gibt den Code vor, um einen konsistenten Auftritt der Marke zu gewährleisten: In Design, Kommunikation, im Verhalten, in der Technologie und im Service.

Was bedeutet Atomic Branding für das Corporate Design?

Markenmanager*innen, die heute Corporate Designs steuern, stehen vor großen Herausforderungen: In kurzer Zeit entstehen immer neue Kommunikationskanäle, Touchpoints und komplexe Umgebungen, in denen die Marke mit ihren Nutzer*innen kommunizieren soll. Immer mehr digitale Produkte ergänzen das Portfolio und die Marken selber werden zu Interfaces.

Deswegen sollten Unternehmen auf flexible Gestaltungsprinzipien statt starrer Regeln setzen, mit der Markenidee als verbindendem Element. Denn damit ein Corporate Design heute und morgen funktioniert, muss es mit einer Umgebung interagieren, die sich kontinuierlich verändert. Es soll die Haltung der Marke betonen und Inhalte transportieren, die für die Nutzer*innen von Bedeutung sind. Dabei interessiert diese mehr, was gesagt wird, als wie diese Botschaft aussieht. Marke funktioniert zunehmend kommunikativ: Über den Inhalt, die Story, die Markenidee.

Das gilt für die schnelle Markenentwicklung bei Startups, bei welcher Strategie, Gestaltung, Kommunikation und Dokumentation fast zeitgleich stattfinden genauso wie für die komplexen Corporate Designs etablierter Unternehmen, die mit der Vielzahl der neuen Kanäle nicht mehr handhabbar wären.

Denn was mit zunehmender Komplexität gestalterisch definitiv nicht funktioniert, sind immer komplexere Gestaltungsregeln. Unsere klare Empfehlung: Lösen Sie sich von starren Formalien und zu engen Design-Korsetts. Fokussieren Sie auf die Idee und wenige visuelle Brand Codes. Was sind grundlegende Elemente, mit denen wir Marke definieren können? Wie fühlt sich Marke innerhalb einer Applikation an? Vor allem in der Entwicklung digitaler Anwendungen bewähren sich flexible Designprinzipien.

Wie Marken mit flexiblen Brand Codes agil reagieren können

Durch das neue Verständnis von »Weniger Regeln und mehr Freiheit« bekommen auch Markenmanager eine neue Rolle. Sie agieren eher als Kurator: Eine klare Positionierung und Leitidee bilden ihre Leitplanken für die Marke. Aus dem Markenkern und einer klaren Haltung werden dann die verschiedenen Brand Codes entwickelt. Zu den Brand Codes gehören nicht nur das Logo, Farben oder die Schrift. Dazu zählen auch das Interaktions- oder das Animationsverhalten sowie die Tonalität. Gemeinsam bestimmen all diese Elemente ganz wesentlich den Charakter der Marke. Zusammen bilden sie einen je nach Bedarf nutzbaren Baukasten, der jederzeit das notwendige Maß an Flexibilität zulässt. Je nach Anwendung und Anlass kann dieser Baukasten immer wieder neu kombiniert werden. Er bietet eine Vielzahl an Freiheiten, ist trotzdem in sich konsistent und wiedererkennbar und lässt immer das große Ganze durchscheinen.

Mit flexiblen Brand Codes können Marken agil auf neue Anforderungen, Märkte und Zielgruppen reagieren. Eine klare Positionierung und das Atom der Leitidee machen sie zukunftssicher.